HISTORIE
UNSERE INTENTIONEN UND UNSER GEMEINSAMES GRUNDVERSTÄNDNIS
Das NETZWERK MODERNER TANZ möchte über die aktuelle Praxis des Modernen Tanzes informieren und möchte Verbindungen schaffen zwischen der weit verbreiteten „Community“ des Modernen Tanzes. Die Informations- und Kommunikationsplattform stellt ein Forum dar, um den Modernen Tanz und sein immaterielles Erbe in der Tanzwelt und darüber hinaus in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.
Durch eine erhöhte Sichtbarkeit in den digitalen Medien hoffen wir, auch über die Grenzen des deutschsprachigen Raumes hinweg zu einer verstärkten Vernetzung der in dieser zeitgenössischen künstlerischen Ausdrucksform aktiven Tanzschaffenden und Tanzvermittler*innen beizutragen und auch zu neuen Forschungsarbeiten zum Immateriellen Kulturerbe des Modernen Tanzes anzuregen.
WAS VERSTEHEN WIR UNTER MODERNEM TANZ ?
DER MODERNE TANZ IST …
… eine zeitgenössische tanzkünstlerische Ausdrucksform, in der sich das menschliche Bedürfnis nach rhythmischer Bewegung und individueller Körpersprache manifestiert und sichtbar wird.
Die künstlerisch-pädagogischen Konzepte des Modernen Tanzes haben sich größtenteils Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem Bestreben entwickelt, den damaligen formalisierten künstlerischen Bühnentanz zu erneuern. Beeinflusst waren diese im Wesentlichen vom Expressionismus und von abstrakten Strömungen der “Klassischen Moderne” sowie von den in der Weimarer Republik aufkommenden zivilisationskritischen Denkansätzen und reformpädagogischen Bewegungen.
… stiloffen und in seiner Ausformung veränderbar. Des Öfteren werden interdisziplinäre Zugangsweisen und Arbeitsformen benutzt oder auch cross-kulturelle Ausdrucksmittel verwendet.
… ein Weg, um die eigenen tänzerischen Fähigkeiten umfassend auszubilden und gleichzeitig als Tänzer- und Tänzerinnen-Persönlichkeit zu wachsen.
… ist eine Form des künstlerischen Tanzes, die von allen Menschen und auf jeder Ebene des Könnens ausgeübt werden kann. Er ist in künstlerischen, pädagogischen und therapeutischen Handlungsfeldern einsetzbar, z.B. in Kitas, Schulen, Hochschulen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen.
DIE PRAXIS DES MODERNEN TANZ BASIERT…
… auf dem Ausschöpfen und Gestalten der Bewegungsmöglichkeiten des menschlichen Körpers und seinen Grundbewegungsformen (wie Gehen, Laufen, Hüpfen, Springen, Schwingen, Drehen etc.)
… zumeist auf einem Bewegungsleitbild, das als „natürlich“ und „körpergemäß-organisch“ umschrieben werden kann. In der bewegungstechnischen Schulung wird eine ökonomische, situationsangemessene und effiziente Bewegungsausführung angestrebt, welche frei von stilisierten Posen ist.
… auf explorativer Bewegungserforschung, freier und angeleiteter Improvisation sowie auf funktionellen körpergerechten Trainingsmethoden bei der Entwicklung tanztechnischer Fähigkeiten. Seine Vermittlungsmethoden sind vielgestaltig, variabel und abwechslungsreich. Bevorzugt wird eine induktive und entdeckende Arbeitsweise und ebenso eine Vorgehensweise, die sich am Prinzip „vom Einfachen zum Komplexen“ orientiert.
UNESCO-Bewerbungsfilm „Praxis des Modernen Tanzes in Deutschland“
WELCHE SYSTEME UND LEHREN DES MODERNEN TANZES SIND IN DER ZEITGENÖSSISCHEN TANZPRAXIS UND TANZAUSBILDUNG BESONDERS RELEVANT?
Im Bereich der zeitgenössischen Lehre und Tanzvermittlung sind vor allem folgende Richtungen bzw. Systeme und künstlerisch-pädagogischen Konzepte des Modernen Tanzes relevant, die sich durch die Bewegungsforschung und durch das Wirken folgender bedeutsamen Protagonist*innen herausgebildet haben:
1. Das Bewegungsanalyse-System nach Rudolf v. Laban sowie die grundlegende Körper- und Bewegungsarbeit von Irmgard Bartenieff https://www.laban-eurolab.org/lbbs/
2. Die Bewegungsprinzipien der Jooss-Leeder-Methode (Folkwang-Universität Essen) https://www.folkwang-uni.de/home/tanz/
3. Das Tanz-System und die Lehrweise nach Rosalia Chladek https://www.tanz-chladek.com/tanzsystem-2/
4. Der Elementare Tanz nach Maja Lex (Günther Schule München, DSHS Köln) https://www.dshs-koeln.de/institut-fuer-tanz-und-bewegungskultur/
PERSÖNLICHKEITEN DES MODERNEN TANZES
Welche Persönlichkeiten haben den Modernen Tanz als eine neue tanzkünstlerische Ausdrucksform geschaffen und welche Ausrichtungen, Stile und „Schulen“ haben sich als Hotspots und Netzwerke des Modernen Tanzes herausgebildet?
MODERNER TANZ: Vertreter*innen und Konzepte
Ein Schaubild vermittelt einen ersten Überblick über zentrale Protagonist*innen, Traditionslinien und Systeme, Konzepte und Techniken des Modernen Tanzes :
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte und dem Tanzerbe des Modernen Tanzes ist im Sinne der Erinnerungskultur nicht abgeschlossen.
Der Moderne Tanz, insbesondere mit seinen teilweise verhängnisvollen Verflechtungen in der Zeit des Nationalsozialismus sowie sein in Ostdeutschland nach Kriegsende praktiziertes „Überdauern unter der Hand“ ist tanzwissenschaftlich noch zu untersuchen.
Auch die Thematik von Flucht, Migration und deren Folgen ist bis zur heutigen Gegenwart von großer Brisanz und wird sicherlich weiterhin im Fokus von Forschungsarbeiten stehen.
„Gebildete“ Körperfreiheit: Über das Bewegungsfundament der Tanzmoderne
von Gunhild Oberzaucher-Schüller
Der vorliegende Aufsatz basiert auf einen Vortrag, der auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft MODERNER TANZ am 18. Mai 2023 im Rahmen der Veranstaltung „MOVING & MAPPING MODERNER TANZ 2023: Techniken und Praxis des Modernen Tanzes“ (18.–20. Mai 2023) in Berlin, DOCK 11, gehalten wurde. Im Rahmen eines Arbeitstreffens zum Modernen Tanz fanden verschiedene Formate statt, unter anderem auch dieser Vortrag.
Er steht in engstem Zusammenhang mit zwei früheren Annäherungsversuchen der Verfasserin an den Themenkreis:
* dem Aufsatz „Auftauchen lassen. Über das körperliche Fundament des Modernen Tanzes in Mitteleuropa“ (2017) sowie
* einer erweiterten Fassung dieses Aufsatzes mit dem Titel „Nachspüren“, der in dem Band „Tanzpädagogik – Tanzvermittlung. Grundbegriffe. Methoden. Anwendungsbereiche“ (2024, i. Dr.).
In beiden Betrachtungen wird versucht, jene Materialien zu finden, die der Tanzmoderne im mitteleuropäischen Raum – in der Praxis – als Fundament dienten. Da das Treffen in Berlin stattfand, schien es naheliegend, den Blickpunkt auf die Geschehnisse der Hauptstadt Deutschlands zu konzentrieren.
Berlin kann dabei als beispielgebend für bestimmte Strömungen einer neuen, durch Bewegung in Umbruch geratenen Szene angesehen werden. Die bestimmende Ausgangsfrage blieb dieselbe: Brachte man – genauer: brachten die Frauen –die Ausbildung betreffend schon Körpererfahrungen mit sich, als man sich in den frühen Zehnerjahren des 20. Jahrhunderts beispielweise Émile Jaques-Dalcroze zuwandte und in den Zwanzigerjahren dann vielleicht in die Berliner Schule von Rudolf von Laban wechselte? Was gab dem Körper Halt, um sich auf die später entwickelten, so verschiedenen Körperkonzepte einlassen zu können?
Die vorliegende schriftliche Fassung des Vortrags hat die ursprüngliche Zweiteilung beibehalten. Der erste Teil widmet sich dem Berliner Schulangebot der „Tänzerischen Körperbildung“ Ende der Zwanzigerjahre, der zweite macht sich auf die Suche nach den Körperfundamenten der ersten Ausbildungswelle.
Ars nova – Eine Würdigung zu Mary Wigmans 50. Todestag
von Irene Sieben
Irene Sieben hat nach abgeschlossener Tanzausbildung bei Mary Wigman im Berlin Tanzpädagogik studiert und war u.a. Mitglied der Gruppe Neuer Tanz Berlin, die 1962 von Manja Chmièl im Tanzstudio von Mary Wigman gegründet wurde. In ihrem Beitrag für die Zeitschrift TANZ (08/09 2023, S. 34-38) erinnert sie an das künstlerische und pädagogische Wirken dieser Pionierin des Ausdruckstanzes und sucht nach den Verbindungslinien zur zeitgenössischen Auseinandersetzung mit dem Tanzerbe von Mary Wigman.
Von Wigman zu Gruppe Motion – Stimmen zum Tanz in Westberlin in der 60er Jahren
Eine von der Video-Künstlerin Andrea Keiz zusammengestellte Geschichte einer tanzkünstlerischen Bewegung, welche im Berliner Tanz-Studio von Mary Wigman in Berlin im Jahr 1962 von Manja Chmièl gegründeten Studiogruppe für Neuen Tanz und mit der Gründung der Gruppe Motion ihren Ausgangspunkt nahm. im Sinne des „Oral History“-Ansatzes erzählen die Schüler*innen von Mary Wigman, Katharine Sehnert, Irene Sieben, Hellmut Gottschild und Leanore Ickstadt Begebenheiten, Begleitumstände und Erinnerungen aus der Nachkriegsgeschichte des Modernen Tanzes. Sie waren an der Gründung der Gruppe Motion beteiligt und Wegbereiter*innen dieser damals neuen Tanz-Avantgarde. Das Filmdokument verdeutlicht die Suche nach neuen Ansätzen und die damalige Übergangs- und Umbruchsphase zu postmodernen und aktuell-zeitgenössischen Tanzströmungen.
Gespräche mit Claudia Feest, Dieter Heitkamp, Heike Albrecht, Andrea Keiz.
Idee, Kamera, Schnitt: Andrea Keiz (https://www.andreakeiz.de )
Performance und Lecture Demonstration des ForumTanz bei der UNESCO in Paris, November 2023
Die „Praxis des Modernen Tanzes in Deutschland“ wurde 2022 von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Aus diesem Anlass lud die UNESCO-Botschafterin in Paris, Frau Kerstin Pürschel, die Delegierten der Mitgliedsländer zu einem Empfang im Headquater in Paris ein.
Der künstlerische Teil des Abends wurde vom ForumTanz gestaltet mit zwei Choreografien, „Living Matter“ und „Calm Poem“. In einem zweiten interaktiven Teil mit dem Publikum leitete Cornelia Widmer Basics des Modernen Tanzes an, begleitet von Live-Musik.
Bemerkenswert war die Freude, mit der Delegierte aus verschiedenen Ländern miteinander getanzt und sich auf Experimente eingelassen haben und sichtlich Freude hatten, neue Erfahrungen zu machen. Kommentar: „Ein unvergesslicher Abend.“